Das Hauptthema dieses Vortrages war die Arbeit der englischen Luftaufklärung im 2. Weltkrieg und welche Rolle die photogrammetrischen Auswertegeräte von Wild Heerbrugg dabei spielten. Nach einem kurzen Blick auf die Entstehung der Luftaufklärung und den Aufbau der zivilen Photogrammetrie in den Zwischenkriegsjahren, erklärte Sigi ausführlich die Organisation, die Erweiterung und die Nutzung der Luftaufklärung während dem 2. Weltkrieg. Auch auf die Bedeutung und den Einsatz der Autographen Wild A5 und Wild A6 sowie deren Beschaffung wurden eingegangen und mit Videoausschnitten illustriert.
Es war spannend zu hören, welche zentrale Rolle der Luftaufklärung zukam, wie sie organisiert wurde und welche Resultate damit erzielt werden konnten. Dies ist eindrücklich und lohnt sich in einer kurzen Zusammenfassung hier zu wiederholen (ein kleiner Eindruck auch für diejenigen, welche den Vortrag nicht verfolgen konnten):
Die Luftaufklärung erlangte erstmals im ersten Weltkrieg an Bedeutung, geriet dann aber in der Zwischenkriegszeit fast wieder in Vergessenheit. 1925 beginnt die englische Firma Aerofilms, eine Unterfirma der Aircraft Operating Corp. mit photogrammetrischen Dienstleistungen im zivilen Bereich. 1938 wird der erste Wild A5 mit der SNr.50 (siehe Bild unten) an Aerofilms geliefert und 1939 erhält auch der Ordnance Survey in Southampton einen Wild A5. Alle Luftbilder wurden zuerst mit einfachen Spiegel-Stereoskopen betrachtet.

Abb.1: Mitte der 1950'er Jahre sind drei WILD A5 bei "Hunting Aerosurvey Ltd", No.6 Estree Way in Bor, Borehamwood, UK in Betrieb. Am mittleren A5 mit der SNr.50 sitzt der Operateur Dickie Richards. Es ist genau dieser A5, der 1938 am Photogrammetriekongress in Rom ausgestellt war und mit welchem während dem 2. Weltkrieg tausende von Luftbildern ausgewertet wurden. Der A6 hinten an der Wand kam 1940 über Schweden nach Medmenham.
Vor der Kriegserklärung am 3.Sept.1939 (von England und Frankreich an Deutschland auf Grund des deutschen Einmarsches in Polen) macht der MI6 bereits mit einem Geschäftsflugzeug geheime Luftaufnahmen über Deutschland. Nach der Kriegserklärung muss aber ein neues Konzept für die immer wichtiger werdende Luftaufklärung entworfen werden, da auch die Geschäftsflüge nicht mehr stattfinden können. Dazu wird die Luftaufklärung von Aerofilms bei der "Royal Airforce Fighter Command" (RAF) konzentriert.
Das damals schnellste Flugzeug der Welt, eine Mosquito PR, wird 1941 mit englischen Williamson F24 oder F52 Luftbildkameras ausgerüstet und schiesst von nun an auf 10'000m! Flughöhe Luftbilder von Deutschland. Mit Zusatztanks hat die Mosquito eine erstaunliche Reichweite bis Murmansk in Russland.

Abb.2. "Mosquito PR"
1941 erfolgt erneut eine Umorganisation der Luftbildaufklärung zur "Central Interpretation Unit (CIU) und der Umzug mit total 133 Personen nach Medmenham, 60km westlich von London. Der einzig verbliebene A5 wird im alten Weinkeller des Anwesens installiert und betrieben.
Von nun an werden hunderttausende Luftbilder geschossen und systematisch zusammen mit jedem Flugeinsatz analysiert und archiviert. Die speziell dazu geschulten "Photointerpreten" stellen zum Teil innert 24h Reports mit "Vorher-Nachher-Vergleichen" auf und interpretieren Gebäude, Industrie-Anlagen, Schiffe, Flugplätze bis hin zu Verkehrswegen sowie der Verfolgung von Truppenbewegungen.
Im Sept.1939 macht Hitler einen Hinweis auf eine Geheimwaffe und der Geheimdienst MI6 beginnt mit Abklärungen. Aber wie soll man die berühmte Nadel im Heuhaufen finden, wenn nicht bekannt ist, wie die Nadel aussieht und den Heustock nicht betreten werden kann?
Mithilfe der Luftaufklärung werden schliesslich im Sommer 1943 sogar 2 Stecknadeln bei Peenemünde, ca. 300km östlich von Hamburg gefunden: die weltweit erste "Langstreckenrakete "V2"

Abb.3: Luftbildaufnahme Teststand VII mit Schattenwurf, Peenemünde: Juni 1943: Jetzt ist klar, wie die Nadel "V2" aussieht.

Abb.4: Die Rakete V2 (Aggregat A4) beim Start vom Teststand VII in Peenemünde
Und auch die Abschussrampen, der weltweit ersten Marschflugkörper "V1" werden entdeckt. Beide Geheimwaffen wurden unter der Leitung von Dr. Wernher von Braun entwickelt - welcher später in den USA auch die Saturn V Raketen für die Mondmissionen entwickelte.
Alleine für die Zerstörung der Abschussrampen der "V1" in der Operation Crossbow wurden in 3000 Flugeinsätzen ca. 1.2 Mio. Luftbilder erzeugt!

Abb.5 / 6: 28.11.1943: Fotoausschnitte von Zinnowitz bei Peenemünde liefern Beweise für das Bestehen der zweiten Geheimwaffe "V1". Bild links: 2 Startrampen und rotes Kreuz (Flugkörper) am Ende der rechten Startrampe. Bild rechts: dieselben Startrampen und rechts unten im Meer Überreste eines fehlgeschlagenen Abschusses.

Abb.7: Fliegende Bombe V1 mit Verpuffungsstrahltriebwerk beim Transport zur Startrampe
Und schliesslich liefern die Luftaufklärungen auch einen wesentlichen Beitrag für das Gelingen der Landung der Alliierten in der Normandie am 6.Juni 1944. Am Kriegsende waren drei Wild A5 und zwei A6 in Medmenham im Einsatz.
Diejenigen, welche den Vortrag geniessen konnten, wissen, dass Sigi in seinen Ausführungen einiges tiefer auf die Ereignisse einging und wesentlich mehr Details beleuchtete.
Mit Spannung erwarten wir weiteren Vorträge aus der Reihe "100 Jahre Innovation Heerbrugg", die alle im engeren oder weiteren Zusammenhang mit der Vergangenheit, Gegenwart und auch Zukunft unseres Unternehmens in Verbindung stehen.
Weitere Veranstaltungen werden in unserer Agenda angekündigt: www.200swissgeo.ch/de/agenda.