Wie im Vorspann angedeutet, mussten wir uns etwas einfallen lassen, damit die Vortragsreihe überhaupt "weiter gehen" konnte. Denn kurz nach der Startveranstaltung Ende September 2020 wurden die Corona-Massnahmen in vielen Ländern in Europa und der Welt erneut verschärft und öffentliche Veranstaltungen waren somit praktisch unmöglich. Trotzdem wollten wir die bereits geplante Vortragsreihe im Jubiläumsjahr von "100 Jahre Innovation Heerbrugg" weiterführen, aber wie?
So fassten wir den Gedanken, den anstehenden Vortrag von Sigi Heggli mit dem Titel "Der wertvolle Beitrag von WILD Autographen im 2. Weltkrieg" live auszustrahlen – ganz nach dem Motto: wenn die Zuschauer nicht zum Vortrag dürfen, dann muss der Vortrag zu den Zuschauern. Wir hatten uns also umgehört und ein kleines, man könnte fast sagen verstecktes Studio bei Leica entdeckt, welches für Produkt-Präsentationen und -Aufnahmen verwendet wird.
Als absolute Film-Studio-Neulinge mit keinerlei Ahnung bezüglich Studiotechnik, Software und Übertragungs-Möglichkeiten, standen wir nun da. Nach einer wirklich sehr kurzen Einführung war intensives Selbststudium der Einrichtung angesagt. Da unsere Anwendung sich sehr von einer Produktpräsentation unterschied, mussten wir einiges ausprobieren, um die Software an unsere spezifischen Bedürfnisse anzupassen.
Abb.1: Das kleine Fotostudio bei Leica Geosystems
Erst in dieser Situation wird uns bewusst, wie gewohnt wir die Perfektion von Nachrichtensendungen oder Live-Shows im Fernsehen sind - es ist gar nicht so einfach, wenn man es selbst probiert. Sogar ein kleines Drehbuch mussten wir erstellten, um die Überlegungen zum Ablauf Schritt für Schritt festzuhalten: zu Beginn war gedacht, dass der Moderator zusammen mit dem Referenten im Bild erscheint, um die Zuschauer zu begrüssen und den Referenten vorzustellen. Dann sollte die Präsentation mit den PowerPoint-Folien starten und der Referent sollte gleichzeitig in die Präsentation eingeblendet werden. Zwischendurch sollte der Referent dann wieder ausgeblendet werden, damit sich die Zuschauer wieder ganz auf den Inhalt der Präsentation konzentrieren können. Eine weitere Herausforderung waren die in der Präsentation eingebetteten Filme, welche zu gegebener Zeit laufen sollten - und das möglichst ohne zu ruckeln und mit einer angemessenen Lautstärke. Der Moderator hatte zudem die Aufgabe während dem Vortrag Zuschauerfragen zu sammeln, zu sortieren und diese am Ende der Präsentation in einem Live-Gespräch dem Referenten zu stellen. Und am Schluss sollte er die Veranstaltung schliessen.
Als dann alles klar schien, trafen wir uns Anfang Januar 2021 im Studio zur Hauptprobe. Trotz Vorbereitung lief es nicht glatt - wir hatten mit etlichem zu kämpfen, angefangen von zu hellen/dunklen Kleidern der Akteure, nicht passende Bild-Hintergründe, unerwünschte Objekte im Blickfeld der Kamera, allgemein die Position der Kamera bzw. der Personen im Bild, einmal waren sie zu hoch, dann wieder zu tief, der Einsatz von einem oder zwei Funkmikrofonen, oder doch einem zentralen "Jabra-Mikrofon" auf dem Tisch, Umgebungsgeräusche die störten, Echo vom Technik-Laptop, Mono oder Stereo Aufnahme, allgemeine Aufnahmequalität und Filmformat, bis hin zu Softwareproblemen. Zeitweise half tatsächlich nur noch ein kompletter Neustart des Systems, bis es wieder korrekt lief. Die "Open Broadcaster Software Studio (OBS)", welche wir dazu verwendeten, ist Freeware und besitzt etliche wirklich schöne Funktionen, aber sie hatte für uns Laien auch ihre Tücken. Der Umgang mit den Besonderheiten musste auch von uns erst erprobt und geübt werden.
Abb.2: Technik-Laptop mit den 3 Bildschirmen
Zum Beispiel war auch die Handhabung der 3 Bildschirme eine echte Herausforderung: den Technik-Laptop benutzen wir für das Studioprogramm, ein externer Bildschirm musste für die "Ausstrahlung" konfiguriert werden, und auf dem dritten sollte die PowerPoint Präsentation ablaufen - aber diese startete immer wieder auf einem falschen Bildschirm. Nach der Umbenennung der Bildschirm-Nummern unter Windows geriet dann zeitweise komplett alles durcheinander - zeitweise war es zum Verzweifeln.
Aber dann endlich klappte es - und gestärkt nach dem Mittagessen konnten wir zumindest das ganze über 1-stündige Referat von Sigi proben und aufnehmen, allerdings ohne anschliessende Fragestunde und auch ohne Einleitung vom Moderator.
Das wäre eigentlich auch nicht notwendig gewesen, denn zum Zeitpunkt der Hauptprobe war immer noch eine echte Live-Übertragung mit Sigi und dem Moderator für die Einleitung und einem Frageblock geplant gewesen. Aber kurze Zeit später wurden die Corona-Massnahmen weiter verschärft und es galt Maskenpflicht wenn sich mehr als eine Person im gleichen Raum aufhält. Es wäre unserem Referenten Sigi nicht zumutbar gewesen, eine Stunde lang mit Maske zu referieren, aber eine zweite Person wäre im Raum notwendig gewesen, um die Technik zu bedienen. Damit war eine Live-Übertragung ausgeschlossen.
Abb.3: Unser Referent Sigi Heggli vor der Ausstrahlung und Fragestunde
Wahrscheinlich in weiser Voraussicht - oder man könnte auch sagen "glücklicherweise" hatten wir das Referat bereits bei der Hauptprobe aufgezeichnet - eigentlich alleine zum Zweck der Archivierung. Dank dieser Aufzeichnung war es nun aber relativ einfach, uns den neuen Massnahmen zu beugen. Der Moderator Eugen Voit zeichnete seine Einführung zum Vortrag ebenfalls vorgängig und alleine auf und so mussten wir uns nur noch etwas für die Fragerunde am Schluss einfallen lassen, denn diese konnte nur live stattfinden (die Fragen würden erst während dem Vortrag von den Zuschauern gestellt werden.
Abb.4: Silvia Núñez organisierte die Schaltzentrale mit GoToWebinar
Nun war Silvia gefordert - auch für Sie war dies der erste Livestream. Ihre Aufgabe war die Organisation und Bedienung des "GoToWebinar". Dies ist das Internettool, auf dem sich die Zuschauer jeweils zum Vortag anmelden und einloggen können. Wir beschlossen, den Moderator Eugen in das Büro mit Silvia zu setzen und Sigi in einen separaten Raum daneben, damit er ohne Maske im Bild die Fragen beantworten konnte.
Abb.5: unser Moderator Eugen Voit sammelt die Fragen von den Zuschauern über Internet
Nach Ausstrahlung des Vortrages wurde Sigi auf Zeichen von Silvia direkt über seine Laptop-Kamera in den Live-Stream geschaltet und der Moderator Eugen mit Ton dazugeschaltet, damit er so die Fragen an Sigi im Raum nebenan stellen konnte. Auch das musste zuerst mit allen beteiligten geprobt werden bis es dann klappte.
Mit Freude können wir sagen, dass sich der Aufwand gelohnt hat und die finale Ausstrahlung mit über 70 Teilnehmern reibungslos über die Bühne gelaufen ist.
Viele Veranstalter und Künstler mussten während der Coronakrise rasch auf neue Medien und Möglichkeiten umschalten - wir waren daher bestimmt nicht die ersten mit dieser Idee.
Für uns war es erstaunlich, dass die Technik heutzutage auch Laien die Möglichkeit bietet, Live-Streams zu produzieren und über Web zu publizieren. Es ist mit gutem Willen und etwas Ausdauer machbar und ich kann nur jeden ermuntern, es selbst zu probieren.
Das Experiment ist erstaunlich gut gelungen und doch fehlte nicht nur der Applaus, sondern auch die persönliche Begegnung und die Möglichkeit zu lebhaften Diskussionen danach.
Auf jeden Fall dürfen wir mit Spannung die weiteren Vorträge erwarten, die alle im engeren oder weiteren Zusammenhang mit der Vergangenheit, Gegenwart und auch Zukunft unseres Unternehmens Wild Heerbrugg/Leica Geosystems zu tun haben werden.
Weitere Veranstaltungen werden in unserer Agenda angekündigt: www.200swissgeo.ch/de/agenda.